01.02.2022
„Jeder braucht Immobilien zum Leben“
Im Gespräch mit ADI-Absolventin Jeanette Kuhnert
Als Teil eines jungen weiblichen Geschäftsführer-Duos leitet Jeanette Kuhnert seit Ende 2020 ein mittelständisches Immobilienmakler Unternehmen in Hamburg. Im folgenden Interview sprechen wir mit der in Mölln geborenen „Diplom-Immobilienökonomin (ADI)“ über ihre Verantwortung als geschäftsführende Gesellschafterin und wie sie ihr Studium bei der ADI auf diese Aufgabe vorbereitet hat. Darüber hinaus erfahren wir von ihr, welches Bild sie von der Immobilienwirtschaft malen würde und wie wichtig ihr die ganzheitliche Betrachtung der Branche mit ihren vielen unterschiedlichen Schwerpunkten ist. Darin sieht sie auch eine große Aufgabe für ihre Generation. Eine Generation zwischen traditionellen Werten und zukunftsgerichteten Strategien.
Interview: Andreas Ullrich
1 - Wenn Du ein Bild mit dem Thema „Immobilienwirtschaft“ ohne eine einzige Immobilie malen müsstest, was wäre darauf zu sehen und warum?
Da ich immer ziemlich schlecht in Kunst war, würde ich wahrscheinlich eine kreativere Kollegin bestechen, das Bild für mich zu malen (lacht). Spaß beiseite! Wahrscheinlich wäre es eine Collage, die zeigt, wie die Welt ohne Immobilien aussehen würde. Sie besteht aus sehr vielen Menschen in unterschiedlichen Lebens-/Berufs-/Familienlagen und einer großen Regenwolke - alle werden nass. Das soll darstellen, dass das Thema "Immobilie" jeden von uns betrifft. Die Wolke zeigt, dass es ohne ein Dach nicht geht. Dieses Dach muss aber geplant, finanziert und gebaut werden. Ohne diesen Kreislauf ist auch kein lebenswertes Leben möglich. Jeder braucht Immobilien zum Leben.
2 - Wie genau bist Du in der Immobilienwirtschaft „gelandet“?
Ich wusste schon während des Abiturs, dass ich beruflich in „die Wirtschaft“ möchte. Aber nur BWL fühlte sich damals zu „langweilig“ an. Also habe ich mich über Fachrichtungen informiert und Immobilien sagten mir am meisten zu. Während meines Studiums konnte ich dann verschiedene Praktika in der Branche machen, um herauszufinden, was genau mir Spaß macht und viel wichtiger – was nicht.
3 - Welchen Beruf übst Du aktuell aus? Was sind Deine Aufgaben, an welchen Projekten arbeitest Du gerade?
Ich bin aktuell, gemeinsam mit meiner Geschäftspartnerin Lisa-Marie Wittlinger, geschäftsführende Gesellschafterin bei Wittlinger & Co. Wir sind Immobilienmakler, spezialisiert auf Vermietung und Verkauf von Gewerbe- und Investmentimmobilien. Zu meinen Aufgaben zählt neben den Führungsthemen auch die aktive Teilnahme am Tagesgeschäft als Maklerin. Das liebe ich. Ich akquiriere neue Vermietungs- oder Verkaufsaufträge für das Team, unterstütze unsere Kunden im gesamten Verkaufsprozess und stehe dem Vermietungsteam mit Rat und Tat zur Seite. Aktuell stecken wir mitten in einer Due Diligence von zwei Light Industry Immobilien in Niedersachsen, bereiten 2-3 neue Vertriebsaufträge vor und bearbeiten einige Vermietungen in Hamburg und dem Umland.
Greifswald bekommt ein neues Innenstadthotel – Wittlinger & Co begleitet bei der politischen Präsentation und kaufmännischen Umsetzung
Offizielle Pressemitteilung vom 17.01.2022
Auf dem Areal des A9-Quartiers in Greifswald, direkt am innerstädtischen Museumshafen, wird ein neues Hotel mit rund 120 Zimmern, 2 Restaurants, Tagungsräumen, Fitness- und Wellnessbereich, Lounge, Shops und Eisdiele entstehen. Initiiert wurde das Projekt von den Hamburger Unternehmern Axel-H. Wittlinger, Jan-Oliver Meding und Harro Grimmer, die mit einer gemeinsamen Gesellschaft den Grundstein dieser Entwicklung legten. „Wir haben schon sehr früh an die Universitätsstadt und ihre positive Entwicklung geglaubt. Dieses Projekt wird den Tourismus in der Stadt weiter ankurbeln und der Universität neue Kongressmöglichkeiten eröffnen“, so Axel-H. Wittlinger.
Nach der kürzlich erfolgten Aufnahme der Amedia Gruppe als Mitgesellschafter und Betreiber des Hotels ist die Umsetzung und Eröffnung nun für das Frühjahr 2024 geplant.
Die Hotelplanung stammt von dem Hamburger Architekturunternehmen MPP Meding Plan + Projekt GmbH. Wittlinger & Co hat das Projektteam seit der Anfangsphase begleitet und bei der politischen Präsentation und kaufmännischen Umsetzung (Pächtersuche, Pachtvertragsverhandlung, Aufnahme des Mitgesellschafters und Share Deal Verhandlung) beraten.
Jeanette Kuhnert von Wittlinger & Co sagt dazu: „Wir freuen uns sehr, durch die Kooperation mit Herrn Dr. Popp, ND Invest- und Finanz GmbH, Herrn Chistee und sein Team der Amedia Gruppe als vertrauensvollen Partner für die Umsetzung des Projekts gefunden zu haben. Nachdem der Baustart aufgrund vieler Unwägbarkeiten, nicht zuletzt durch die Corona Pandemie, verschoben werden musste, blickt das ganze Projektteam nun optimistisch in die Zukunft.“
4 - In welcher beruflichen Situation, bzw. Ausbildungsphase hast Du Dich befunden, als Du Dich für den Studiengang „Diplom-Immobilienökonom/in (ADI) entschieden hast und warum gerade bei der ADI“
Den ersten Berührungspunkt mit der ADI hatte ich schon 2013 durch Christian Wittke, als ich mein Praktikum im Berenberg Real Estate Office gemacht habe. Ich war beeindruckt, wie qualitativ hochwertig dort gearbeitet wird und wieviel Wert auf fundiertes Fachwissen und Präzision gelegt wird. Er erzählte mir vom Studiengang „Diplom-Immobilienökonom/in (ADI)“ und der RICS. Mit Abschluss des Studiums habe ich 2014 dann bei StöbenWittlinger in der Gewerbevermietung begonnen, um weitere Erfahrungen zu sammeln. Teil der Stellenausschreibung war, dass weiterführende Studienwünsche unterstützt werden. Also habe ich nach den ersten Jahren Berufserfahrung angefangen, nach Masterstudiengängen zu suchen. Eine RICS Akkreditierung war mir dabei sehr wichtig. Dann hatte ich 2016 das Vergnügen, mit einem tollen Kollegen zu arbeiten, der den Studiengang Immobilienökonomie bei der ADI bereits absolviert hatte. Ich habe mich daraufhin nochmal intensiver mit dem gesamten Studienkonzept befasst und die Lehrinhalte passten zu 95% in mein tägliches Arbeiten. Ich spürte sofort den praktischen Bezug, der mir bei den häufig internationalen oder Finance-lastigen Masterstudiengängen fehlte. Die Praxis war mir wichtiger, da mir ja auch die klassische Berufsausbildung als Immobilienkauffrau fehlte.
5 - Wie konkret war Dein Berufsplan vor Beginn des Studiums und hat er sich möglicherweise während der 15 Vorlesungsmonate verändert? Wenn ja, warum?
Vor der ADI wusste ich schon, dass ich aus der Vermietung in den Verkauf wechseln möchte. Immer klar war auch, dass ich mich überwiegend mit Gewerbe- und Anlageimmobilien beschäftigen möchte. Da schließe ich ein Mehrfamilienhaus jetzt mal mit ein. Nach dem Studium nahm das ganze dann eine Eigendynamik an, weil sich auch bei meinem damaligen Arbeitgeber StöbenWittlinger im Hause sehr viel veränderte und ich dann die Riesenchance der Geschäftsübernahme erhielt. Während des Studiums war ich ehrlicherweise meistens froh, dass ich alles gemeinsam unter einen Hut bekommen habe und die Themen aus den Vorlesungen direkt anwenden konnte. Da war in meinem Kopf wenig Platz für Zukunftsplanung, die über die Abschlussarbeit und die mündliche Prüfung hinausging.
6 - Wie hast Du Dich neben Deiner Arbeit für das Studium und insbesondere die Diplomarbeit organisiert? Hast Du da Tipps für kommende Studierende?
Ich hatte das große Glück, dass mein Arbeitgeber mich sehr unterstützt hat. Ich wurde für die Präsenztage in der Woche freigestellt und konnte den Urlaub dann tatsächlich für die Prüfungsvorbereitung und Erholung nutzen. Ich hatte allerdings noch nie ein Problem damit, mich auch abends nochmal spät oder am Wochenende an den Rechner zu setzen, um berufliche Dinge zu erledigen. Wichtig ist meines Erachtens, dass man sein privates Umfeld auf die bevorstehenden 15 Monate „einschwört“. Viel Freizeit hatte ich gefühlt nicht, insbesondere zum Ende hin, wenn die Klausuren und die Diplomarbeit in dieselbe Phase fallen. Das kann bei Familie und Freunden schon mal negativ aufgenommen werden, wenn sie nicht Bescheid wissen. Und das eigene Mindset muss stimmen. Wenn man dauernd denkt, man verpasst „draußen“ etwas, dann wird es schwierig.
7 - Was war aus heutiger Sicht für Dich das Wichtigste an diesem Studiengang?
Ich erinnere nicht mehr genau, welcher Dozent uns das sagte – ich tippe aber auf Frau Regina Bohla. Auf jeden Fall war es: „Die ADI ist dazu da, euch in die Lage zu versetzen, jede Perspektive bzw. jeden Betrachtungswinkel auf eine Immobilie nachvollziehen zu können. Ihr sollt nicht Profi in jedem Bereich werden, aber ihr sollt euch mit den Profis auf Augenhöhe austauschen können und verstehen, was sie antreibt und an welche Regularien sie ggf. gebunden sind.“ Und es stimmt! Zu wissen, warum eine Bank eine Immobilie in bestimmter Weise betrachtet, warum manches rechtlich geht und anderes wieder nicht, was für Asset Manager wichtig ist, hilft für das allgemeine Verständnis der Immobilienwelt ungemein weiter. Dieses „ganzheitlich betrachten können“ macht auch eine andere Art des Beratens erforderlich. Ein Beispiel: Ich arbeite viel mit Kirchengemeinden. Deren Hauptziel ist in der Regel, den höchst möglichen Verkaufspreis für ihre Bestandsimmobilien zu erzielen. Der wird aber in der Regel nur von einem Aufteiler gezahlt. Da frage ich dann erst einmal: „Wollt Ihr wirklich, das dann die meisten ihre Wohnung verlieren, weil sie sich die nach der Aufteilung die sicher höheren Preise nicht mehr leisten können?“ Der höchste Preis ist nicht unbedingt das beste Ergebnis für einen Kunden. Die Qualität der Verkaufsverhandlung kann am Ende wichtiger sein, als der ursprünglich anvisierte Toppreis.
8 - 2020 bist Du Geschäftsführerin in Deinem Unternehmen geworden. Wie kam es dazu - hatte Dein Studium bei der ADI Einfluss darauf?
Der bisherige Geschäftsführer Axel-H. Wittlinger wollte seine Nachfolge regeln, da er mit über 70 Jahren nicht mehr dauerhaft „in vorderster Reihe“ stehen wollte. Da ich schon lange im Unternehmen war und wir erfolgreich diverse Projekte bearbeitet hatten, fragte er mich 2019, ob ich mir eine Ausgliederung der Abteilung mit ihm gemeinsam vorstellen könnte. Ich gehe stark davon aus, dass mein Abschluss an der ADI uns beiden die Sicherheit gegeben hat, dass ich einer solchen Aufgabe auch gewachsen bin. Durch Corona haben wir die Pläne dann nochmal eine Weile auf Eis gelegt und er beschloss dann, sich aus dem operativen Geschäft eher raushalten zu wollen. Seinen Rat, mir einen Partner für die Geschäftsführung zu suchen, habe ich natürlich gerne angenommen. Dass ich dann allerdings seine Schwiegertochter gefragt hab, die ihn zu der Zeit bei der gesamten Umstrukturierung des Unternehmens (die Hausverwaltung wurde ebenfalls verkauft) unterstützte, hat ihn sicher überrascht. Das war dann aber kein Problem und wir sind alle sehr froh, dass wir so zusammengefunden haben. Direkt als klar war, dass Lisa und ich die neuen Geschäftsführerinnen sein werden, haben wir beide uns zusammengesetzt und einen klassischen Businessplan erarbeitet. Ein Schwerpunkt unserer Neuausrichtung war das Marketing, was in der bisherigen Unternehmensstrategie eine andere, weniger priorisierte Rolle gespielt hat. Für jemanden wie mich, die bis dato keinerlei Erfahrung mit der Gründung einer Gesellschaft hatte, war das eine sehr spannende und wichtige Erfahrung. Es verändert das komplette Mindset, wenn es plötzlich um das das eigene Unternehmen geht. Nun kommt zu allen bisherigen Aufgaben auch die Verantwortung für die eigenen Mitarbeiter dazu. Da werden dann auch mal die eigenen Gehälter zurückgestellt, damit das Team bezahlt werden kann.
9 - Was würdest Du als Deine größte Stärke bezeichnen und wie gehst Du mit Deinen Schwächen um?
Wenn ich mich einmal für eine Sache begeistere, dann brenne ich dafür und bleibe konstant am Ball. Dazu zählt auch, in schwierigen Situationen Ruhe zu bewahren. Die große Kunst ist ja, seine Schwächen erstmal zu erkennen und bereit zu sein, daran zu arbeiten. Im Berufsleben habe ich mit Lisa zum Beispiel eine Geschäftspartnerin gefunden, die meine beruflichen Schwächen super durch ihre Stärken ausgleicht. Es gibt Schwächen, die ich durch Weiterbildung oder Coaching ausgleichen kann. Andere muss ich einfach akzeptieren. Niemand ist perfekt!
10 - Was sind Deine Pläne für die Zukunft?
Wir sind jetzt seit 15 Monaten mit unserem „Baby“ unterwegs und haben noch so viele Pläne. Wir möchten im verträglichen Maße wachsen und das Geschäft unter dem neuen Namen auf erfolgreiche und solide Füße stellen – mit unserer eigenen, „modernen“ Handschrift. Gleichzeitig wollen wir den Charakter eines gewachsenen Familienunternehmens weiter hochhalten. Wenn das einmal funktioniert, wären ein paar Reisen ganz schön.
11 - Was ist für Dich das Besondere an der Immobilienwirtschaft und welchen besonderen Beitrag kann Deine Generation für ihre erfolgreiche Weiterentwicklung leisten?
Mir gefällt die Vielfältigkeit der Branche und die unseres Produkts. Es gibt einfach nicht „die Immobilie“ oder „den Immobilienmarkt“, da es so viele unterschiedliche Formen, Arten, Nutzungen gibt und nahezu jeder hat in irgendeiner Weise mit dem Thema zu tun. Es geht uns eben alle etwas an und wer zuletzt selbst auf Wohnungssuche war – auch als Gutverdiener – weiß, wovon ich spreche. Mit unseren Handlungen entscheiden wir direkt oder indirekt über Existenzen – das müssen wir uns unbedingt immer wieder ins Gedächtnis rufen. Ich wünsche mir, dass sich meine Generation ihrer Verantwortung für eine ehrliche, nachhaltige und realistische Entwicklung der Branche bewusst wird. Bisher profitieren wir davon, dass es seit 2013 auf dem Markt ständig bergauf gegangen ist. Wenn es läuft, ist es auch einfacher „spendabel“ und serviceorientiert zu sein. Die vorigen Generationen hatte diesen Luxus meist nicht. Doch dort wurden die Gewinne erzielt, auf denen wir heute immer weiter aufbauen können. Diesen zusammenhängenden Blick dürfen wir nicht verlieren. Dafür wünsche ich mir auch ein besseres Netzwerk zwischen „alt“ und „neu“. Nur so können wir alle über unseren jeweiligen Tellerrand hinaus schauen und unsere Branche wirklich weiter nach vorne bringen.
12 - Apropos Netzwerk: für unser Alumni-Netzwerkformat Campus bist Du nun zusammen mit Thomas Bischoff für "Local Events" in Hamburg verantwortlich. Was ist Dir an dieser Aufgabe wichtig?
Während meines Studiums waren wir ein sehr kleiner Jahrgang und alle beruflich stark eingebunden. Da hatte man manchmal das Gefühl, dass der Netzwerk-Gedanke etwas auf der Strecke blieb. Spätestens als es dann aber an die Projektarbeit ging, fassten wir uns ein Herz und riefen bei dem einen oder anderen ADI-Absolventen an, um Input für die abschließende Arbeit zu erhalten. Ausnahmslos jede/r hat geholfen – Danke dafür nochmal! Davon war ich sehr beeindruckt und habe diesen Zusammenhalt schätzen gelernt. Durch die „Local Events“ können wir hoffentlich neuen und erfahrenen Alumni einen Mehrwert durch spannende Projektvorstellungen und den Ausbau des Netzwerks bieten. Darauf und auf die Zusammenarbeit mit Thomas Bischoff bzw. dem ganzen ADI-Team freue ich mich schon.
Sie interessieren sich für das Alumni-Netzwerk Campus in Hamburg und möchten bei zukünftigen "Local Events" dabei sein? Dann wenden Sie sich gerne direkt an die beiden Campusleiter Jeanette Kuhnert oder Thomas Bischoff über Social Media.
Der von Jeanette Kuhnert absolvierte Studiengang "Diplom-Immobilienökonom/in (ADI)" startet wieder am:
21.03.2022 - Hamburg
04.04.2022 - München
02.05.2022 - Düsseldorf, Frankfurt, Stuttgart, Online