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12.04.2022

Holistische gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung im Wege „hybrider Investorenmodelle“

Fachbeitrag zu innovativen Lösungen für Kommunen zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums mittels eines langjährigen Erbbaurechtsmodells.

von Dr. Frank Meininger

Bekanntermaßen stehen Städte und Kommunen unter hohem Druck, ihre Daseinsvorsorgeaufgabe der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum nachzukommen. Denn die große Nachfrage bei geringem Angebot erschwert bzw. verhindert vielen Bevölkerungsgruppen den Zugang zum (inner-)städtischen Wohnungsmarkt. Dazu kommt, dass attraktive Grundstücke zur Wohnungsbebauung in Deutschlands (Groß-)städten ähnlich knapp sind wie günstige Mietwohnungen. Bislang waren Städte und Gemeinden durchaus gewillt, ihre Haushaltslöcher zu stopfen, indem sie attraktive Grundstücke in Innenstadtlage an den Meistbietenden verkaufen. Zwischenzeitlich wenden sich jedoch immer mehr Kommunen von dieser Vorgehensweise ab.

Vermehrt wollen Kommunen die letzten „Filetstücke“, die sie noch besitzen, nicht mehr einfach meistbietend veräußern. Vielmehr besteht der (politische) Wunsch, dem Käufer zumindest gewisse (soziale) Pflichten aufzuerlegen oder gleich gänzlich auf einen Verkauf des "Tafelsilbers" in Grundstücksform zu verzichten. Hierbei gewinnt die Investorensuche im Rahmen eines langjährigen Erbbraurechtsmodells an Bedeutung. Auf diese Weise werden Verpflichtungen im Hinblick auf eine gemeinwohlorientierte Schaffung von Wohnraum verankert. Die Liste der regelmäßig aus der Politik geäußerten wiederkehrenden Wünsche ist dabei lang: Der Investor soll beispielsweise eine bestimmte Anzahl an mietpreisgedämpften Wohnungen errichten, bestimmte städtebauliche und gestalterische Vorgaben einhalten, auf dem Grundstück öffentliche Parkplätze realisieren oder in den Gebäuden Räumlichkeiten für eine städtische Kindertagesstätte vorsehen.

Vor diesem Hintergrund hat die Stadt Fellbach erstmalig im Rahmen eines Pilotprojekts im Jahr 2017 damit begonnen, einen neuen Weg einzuschlagen, um ihre wohnungsbaupolitischen und städtebaulichen Ziele in einem Investorenmodell zu verwirklichen, ohne jedoch in Gänze die betreffenden städtischen Grundstücke zu veräußern. Statt die städtischen Grundstücke selbst mit Wohnungen zu bebauen, hat sich die Stadt Fellbach im Rahmen des Pilotprojekts „Wohnen für Alle“ im Wege einer Investorenausschreibung einen Partner gesucht, der vier Gebäude mit insgesamt 52 Wohnungen nebst Tiefgarage baulich errichtet, vermarktet und bewirtschaftet. Von besonderer Bedeutung war dabei neben allen städtebaulichen und gestalterischen Vorgaben, dass es sich in der Mehrzahl um preisgedämpfte und geförderte Wohnungen handelte, von denen wiederum 20 Wohnungen für die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen reserviert und über ein 30-jähriges Belegungsrecht zugunsten der Stadt abgesichert sind. Nur für 18 frei finanzierte Wohnungen konnte der Investor einen Teil des städtischen Areals erwerben. Alle weiteren Wohngebäude wurden im Rahmen eines Erbbaurechtsmodells auf dem im Eigentum der Stadt Fellbach verbleibenden Grundstücksteil durch den Investor realisiert.

Dieses „Hybridmodell von Erbbau- und Veräußerungsmodell“ ermöglicht der Stadt Fellbach, weiterhin einen großen Teil des städtischen Grundstücks in ihrem Eigentum (nur) über die Gewährung eines Erbbaurechts zu behalten und zugleich die gemeinsam mit dem ausgewählten Investor umgesetzten städtebaulichen, architektonischen und wohnungspolitischen Ziele langfristig abzusichern. Das Projekt „Wohnen für Alle“ wurde im vereinbarten Zeitrahmen durch den Investor umgesetzt und die Wohnungen im Jahr 2020 bezogen. Die Auswahl der Mietinteressenten erfolgt unter Einbindung der Stadt Fellbach, die Vermietung der Wohnungen durch den Investor.

Das hybride Pilotprojekt „Wohnen für Alle“ ist für viele aktuelle Projekte der Stadt Fellbach die Grundlage geworden. Auch der Investorenmarkt stellt sich zunehmend auf die neuen Ziele städtischer Grundstückspolitik ein und ist bereit für „hybride“ Projekte. Dies zeigt das große Interesse im Rahmen von Ausschreibungen hybrider Investorenprojekte.


Über den Autor

Dr. Frank Meininger ist seit 1998 als Rechtsanwalt tätig. Zu seinem Fachbebiet gehören die strategische Beratung bei komplexen Infrastrukturprojekten (Abwicklungsstrategien etc.) und eine umfassende Vergaberechtsberatung der öffentlichen Hand sowie privater Unternehmen. Zudem arbeitet er als Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Stuttgart (DHBW- Stuttgart), der ADI Akademie der Immobilienwirtschaft und der Rechtsanwaltskammer Stuttgart. Er schreibt regelmäßig Fachbeiträge zum Thema Infrastrukturrecht. Für ein öffentliches Infrastrukturprojekt im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung wurde er mit dem Platow-Recht-Award „Bestes Rechtsberatungsprojekt 2011“ ausgezeichnet.